Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Pflegepersonalbemessung kommt das Bundesministerium für Gesundheit der langjährigen Forderung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) nach, endlich die PPR 2.0 als Übergangsinstrument einzuführen. An einigen Punkten verfehlt der Entwurf aber die Zielsetzung, die Pflege zu stärken. Zugleich versucht das Ministerium mit einem bunten Strauß an Änderungsanträgen zentrale Themen zu bearbeiten und wichtige Weichen für die Versorgung zu stellen. Die Vielzahl der Regelungen, die dieses Gesetz enthält, und die zweifelhafte Form des parlamentarischen Verfahrens werden so der Bedeutung des Vorhabens in keiner Weise gerecht. Pflegepersonalbedarfsbemessung, die Stärkung von Geburtshilfe und Pädiatrie, tagesklinische Behandlungen und die nicht abgestimmte und nicht durchdachte Vergütungs-Neuregelung in Form von Hybrid-DRGs bedürfen strukturierter und umfassender Diskussion und müssen zwingend sachgerecht in ein Gesamtkonzept von Reformen eingebunden werden, an dem auch die Bundesländer zu beteiligen sind. Vielfach werden wichtige Neuerungen als Änderungsanträge weniger als 24 Stunden vor der Anhörung eingebracht. Gerade bei den tagesklinischen Behandlungen und den sogenannten Hybrid-DRGs fordert die DKG deshalb den sofortigen Stopp des Verfahrens, sodass sich alle Beteiligten vernünftig mit den Änderungen befassen können. „Es ist ohne Beispiel in welcher Weise zentrale Reformthemen über Nacht mit heißer Nadel als Gesetzentwurf formuliert werden“, so der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß.
Bei der PPR 2.0 begrüßen wir weiterhin das Ziel des Vorhabens, die Pflegepersonalsituation schnell und spürbar zu verbessern. Damit diese Zielsetzung tatsächlich umgesetzt werden kann, ist aber Nachbesserung dringend erforderlich. Wir dürfen keine Pflege nach Kassenlage einführen. Pflege kann sich nur nach dem Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten richten. Das vorgesehene Vetorecht des Finanzministers muss deshalb gestrichen werden. Es konterkariert den Grundgedanken der Pflegebudgets, der auf die vollständige Refinanzierung der Pflege am Bett abzielt.
Nicht nachvollziehbar ist, dass der Entwurf die Intensivmedizin nicht berücksichtigt, obwohl praktikable Vorschläge seit langem auf dem Tisch liegen. Den Intensivbereich bis zur Einführung eines Verfahrens nach Paragraph 137k SGB V weiter durch die Untergrenzen zu regeln, wird den spezifischen Anforderungen in diesem hochsensiblen Bereich nicht gerecht. Es gibt eine adäquate Lösung, die DKG, Deutscher Pflegerat und Ver.di mit ihrem Konzept der PPR 2.0 vorgelegt haben. Wir warten hier auf die konkrete Umsetzung dieses Instruments. Auf jeden Fall muss verhindert werden, dass wir noch mehr Bürokratie und doppelte Sanktionsstrukturen einführen. Die Belastung des Personals durch überflüssige Bürokratie ist jetzt schon inakzeptabel hoch. Das Nebeneinander verschiedener Dokumentationspflichten und Sanktionsregeln bindet Personalkapazitäten, die wir dringend für die Patientenversorgung benötigen. Die PPR 2.0 muss perspektivisch zudem sowohl den Personalmix als auch den Ganzhausansatz berücksichtigen. „Kliniken, die nachweislich einen hohen Erfüllungsgrad, das heißt eine gute Personalbesetzung aufweisen, müssen von der kleinteiligen Nachweispflicht der Pflegpersonaluntergrenzen befreit werden“, erklärt Gaß. Das Anliegen der Hebammen hat in den vergangenen Wochen große Wellen geschlagen. Aber nicht nur sie, sondern auch andere Berufsgruppen sind entscheidend für den Qualifikationsmix in der Pflege. Hier erwarten wir umgehende Nachbesserung.
Neben der PPR 2.0 adressiert das Gesetz viele weitere Punkte. Dass sich zukünftige Leistungsrückgänge im Krankenhaus nicht mehr im Landesbasisfallwert wiederfinden sollen, ist inakzeptabel. Gerade jetzt, wo die Fallzahlen der Kliniken weitaus geringer sind als in vorpandemischer Zeit, die Fixkosten aber sogar deutlich gestiegen sind, gefährdet diese Regelung zahlreiche Krankenhäuser und damit auch die Versorgung. „Es ist absurd, dass eine Regelung zur notwendigen Anpassung der Preisentwicklung genau in dem Moment gestrichen wird, in dem sie aufgrund der realen Lage in den Krankenhäusern Anwendung finden müsste“, sagt Gaß.
Wie Gesetzgebung ein gutes Ziel konterkariert, wird bei der Einführung von verbindlichen Fristen für Budgetverhandlungen deutlich. Die vorgesehenen Fristen sind nicht praxistauglich, dies wurde in den vergangenen Monaten wiederholt sehr nachvollziehbar dargelegt. So sollen Krankenhäuser zum 30. November einen belastbaren Budgetplan für das Folgejahr vorlegen. Das ist unmöglich, da viele Informationen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorliegen. Absolut inakzeptabel ist zudem, dass nur die Krankenhäuser sanktioniert werden sollen, wenn die Budgets verspätet verabschiedet werden, nicht aber die Krankenkassen, die schon jetzt die Verhandlungen verschleppen. Krankenkassen bekommen damit den Freifahrtschein, Verhandlungen nach Gutdünken zu verzögern.
Absolut sachgerecht ist dagegen die im Gesetz vorgesehene Anpassung des Pflegentgeltwertes auf 230 Euro zum 1. Januar 2023. „Dies versetzt auch die Krankenhäuser, die bisher kein finales Pflegebudget haben, in die Lage, Löhne und Gehälter der Pflegenden mit diesem Pflegeentgeltwert zu refinanzieren ohne dafür Kredite aufnehmen zu müssen“, erklärt Gaß.
Das Ministerium nutzt das Gesetz, um erste Vorschläge aus der Regierungskommission umzusetzen. Wir begrüßen grundsätzlich, dass in den Jahren 2023 und 2024 jeweils zusätzlich 300 Millionen Euro für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen bereitgestellt werden sollen. Das Ministerium hat das Problem offenbar erkannt. Allerdings sind die jährlich 120 Millionen für die Geburtshilfe unzureichend und bleiben deutlich hinter den Vorschlägen der Regierungskommission zurück. „Ehrlicherweise sollte das Ministerium aber darauf hinweisen, dass dies genau die 400 Millionen Euro sind, die man im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes den Krankenhäusern zunächst einmal gestrichen hat. Die Unterstützung für die Pädiatrie und Geburtshilfe finanzieren die Krankenhäuser deshalb auch aus der eigenen Tasche“, rechnet der Vorstandsvorsitzende der DKG vor.
Problematisch sind die Vorschläge, wie das Ziel von mehr Tagesbehandlungen im Krankenhaus umgesetzt werden soll. Wir unterstützen ausdrücklich die Empfehlung der Regierungskommission in ihrer Zielsetzung, praktikable Möglichkeiten zur Behandlung ohne Übernachtung zu schaffen, um so die Krankenhäuser zu entlasten. Diesem Leitgedanken wird der Änderungsantrag allerdings nicht gerecht. Die im Gesetz formulierten Vorgaben zur Dokumentation gehen über die bisherigen Regelungen bei einer vollstationären Versorgung hinaus. Das befördert die Tagesbehandlung sicher nicht. Es wird deshalb keine Entlastung geben, sondern zusätzliche Belastung und das bei reduzierter Vergütung. Dabei wäre es erstrebenswert, dass dieses neue Feld jetzt zunächst einmal erprobt werden kann und gegebenenfalls erforderliche Nachsteuerungen im weiteren Verfahren erfolgen.
Absolut nicht hinnehmbar ist, dass kurzfristig weniger als 24 Stunden vor der Anhörung noch ein Änderungsantrag eingebracht worden ist, der eine neue Vergütungsform, eine Art Hybrid-DRG, einführen möchte. Aus unserer Sicht muss dieser Antrag sofort zurückgezogen werden. Die Einführung von Hybrid-DRGs ist ein herausragend bedeutsames Thema, auch für die Krankenhausplanung der Länder. Das muss in einem eigenen geordneten Gesetzgebungsverfahren auch unter Einbeziehung der Länder erfolgen. „An vielen Stellen wird auch bei diesem Gesetz deutlich, dass es bis heute keinen geordneten Reformprozess im Bundesgesundheitsministerium gibt, bei dem die zentralen Ziele und Vorhaben abgestimmt und dann die dazu passenden Instrumente entwickelt werden. Wir brauchen einen transparenten Prozess, in den die Länder und die Selbstverwaltungspartner eingebunden werden. Bisher erleben wir demgegenüber nur Stückwerk und mit heißer Nadel gestrickte Gesetzestechnik“, beklagt DKG-Vorstand Gaß.