Die Pandemie hat verdeutlicht, dass Gesundheitsversorgung neu gedacht werden muss. Nur eine sektorübergreifende regionale Neuordnung der Versorgungslandschaft kann nach Ansicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) eine dauerhaft hochwertige Versorgungsqualität in Deutschland sicherstellen. Auf dem zweiten Krankenhausgipfel am 21. Juni in Berlin haben die Krankenhausträger mit politischen Entscheidern über die zukünftige Ausrichtung der stationären Versorgung diskutiert. Eingeleitet wurde der Gipfel mit einem Grußwort von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Neben zahlreichen Vertretern des Gesundheitswesens waren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Beate Bröcker, Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt, anwesend.
Die Corona-Pandemie hat allen den internationalen Spitzenplatz der deutschen Krankenhäuser noch einmal vor Augen geführt, gleichzeitig aber auch Handlungsbedarf aufgezeigt, so der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß. Dringende Handlungsnotwendigkeiten für eine zukünftige Bundesregierung sieht die DKG bei einer bedarfsgerechten sektorübergreifenden Krankenhausplanung, dem konsequenten Abbau der lähmenden Überregulierung und der nachhaltigen Neustrukturierung des Finanzierungssystems der Krankenhäuser.
Gerade während der Pandemie haben regionale von den Kliniken organisierte Versorgungsnetzwerke bewiesen, dass sie ein zukunftsfähiges Modell sind, um die Versorgung sicherstellen zu können. Insbesondere in ländlichen Gebieten müssen ambulante und stationäre Versorgung zusammen gedacht, zusammen geplant und koordiniert werden. Krankenhäuser können als integrierte Dienstleistungszentren Ausgangspunkte für diese Netzwerke sein. „Da die Versorgung über niedergelassene Ärzte in dünner besiedelten Regionen immer schwieriger wird, bieten sich hier die Krankenhäuser als Anlaufstellen für die Gesundheitsversorgung an. Schon heute versorgen die deutschen Krankenhäuser mit 20 Millionen Patientinnen und Patienten genauso viele Menschen ambulant wie stationär“, so Gaß.
Für eine zukünftige Krankenhauspolitik wird es wesentlich sein, das Spannungsfeld aus Zentralisierung komplexer Leistungen und wohnortnahen Strukturen aufzulösen. Nur in einem gesunden Miteinander dieser beiden Zielsetzungen wird hochwertige Versorgung sichergestellt werden können. Dazu ist es aber auch notwendig, die Krankenhausfinanzierung zu reformieren. Insbesondere in ländlichen Gebieten muss eine bessere Vorhaltefinanzierung Strukturen sichern. „Die jetzt mit Macht voranschreitende Digitalisierung unseres Gesundheitswesens eröffnet uns die große Chance, den vermeintlichen Gegensatz von Zentralisierung und Wohnortnähe aufzulösen. Es wird zukünftig weniger um die Fähigkeiten einzelner Krankenhausstandorte gehen, sondern vielmehr um die Potentiale vernetzter Leistungserbringer in Zentren und in der Fläche“, skizzierte Gaß die Perspektiven der Zukunft.
Dass ohne Personal im Krankenhaus nichts geht, ist in den vergangenen 15 Monaten noch einmal deutlich geworden. Der Personalmangel ist die größte Herausforderung für die Zukunft. Denn er setzt allen Branchen zu. Für die Kliniken bedeutet dies, dass bedarfsgerechte Personalausstattung und attraktive Arbeitsplätze zwei Seiten einer Medaille sind. Rückmeldungen der Pflegefachkräfte bestätigen, dass ausreichende Personalausstattung der wichtigste Ankerpunkt ist, um Personal im Beruf zu halten und für den Beruf zu gewinnen. Wir haben mit der PPR 2.0 ein Modell zur Personalbedarfsbemessung vorgeschlagen, das zur Lösung dieser Probleme beitragen kann. Die Politik ist darauf leider noch nicht eingegangen, dabei müssen wir dringend eine bedarfsgerechte Personalbemessung einführen. Zusätzlich muss die Arbeit der Beschäftigten spürbar entbürokratisiert werden. Dass Pflegefachkräfte jeden Tag drei Stunden und mehr für die Bürokratie aufwenden müssen, ist nicht akzeptabel. Und natürlich gehören die wettbewerbsgerechte Bezahlung der Beschäftigung und die Refinanzierung von Tarifsteigerungen für alle Berufsgruppen zur Lösung des Personalproblems.
Mit großem Nachdruck fordert die DKG ein Ende der Überregulierung des Gesetzgebers und des Gemeinsamen Bundesausschusses bis hinein in die operativen Prozesse der Krankenhausorganisation. „Wir dürfen uns nicht wundern, dass ein Teil unserer hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Freude an der Arbeit verliert und jegliche Kreativität im Interesse einer individuellen Behandlung erstickt wird, wenn jeder Handgriff bundeseinheitlich vorgeschrieben und jeder Prozess bis ins kleinste Detail zentral aus Berlin festgelegt wird“, sagte der Vorstandsvorsitzende der DKG.
Die DKG hat mit dem Krankenhausgipfel ihre Forderung nach einem Kurswechsel in der Gesundheitspolitik erneuert. Die Erfahrungen aus der Pandemie, die viele Reformnotwendigkeiten offengelegt haben, müssen ganz oben auf der gesundheitspolitischen Agenda einer künftigen Bundesregierung stehen.