„Wer vorschlägt, von ca. 1.600 Akutkrankenhäusern 1.000 platt zu machen und die verbleibenden 600 Kliniken zu Großkliniken auszubauen, propagiert die Zerstörung von sozialer Infrastruktur in einem geradezu abenteuerlichen Ausmaß, ohne die medizinische Versorgung zu verbessern. Das ist das exakte Gegenteil dessen, was die Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘ in dieser Woche für die ländlichen Räume gefordert hat“, erklärte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß.
Das zentrale Qualitätsmerkmal eines jeden Gesundheitswesens ist der flächendeckende Zugang zu medizinischer Versorgung. Deutschland hat eines der besten Krankenhausversorgungssysteme der Welt.
„Hinter der Zentralisierung, die die Bertelsmann-Stiftung vorschlägt, steht die Einschätzung, dass die medizinische Versorgungsqualität nur in Großkrankenhäusern gut bzw. besser werden könnte. Das ist eine absolut unbelegte Einschätzung. Wir messen seit Jahren anhand vieler Indikatoren die Qualität der medizinischen Versorgung. Zum Beispiel auf Inneren Abteilungen Lungenentzündungen, auf Gynäkologischen Abteilungen Geburten, Hüftoperationen usw. Mit wenigen Ausnahmen bestätigt der Gemeinsame Bundesausschuss Jahr für Jahr allen an dem Verfahren beteiligten Kliniken ein hohes Qualitätsniveau. Wo einzelne Kliniken Qualitätsdefizite haben, finden Interventionen statt“, sagte Gaß.
Ein großer Teil des stationären medizinischen Versorgungsbedarfes braucht zudem keine Spezialisierung. Es handelt sich um medizinische Grundversorgung, wie Geburten, viele auch altersbedingte Krankheitsbilder der Inneren Medizin, viele neurologischen Krankheitsbilder, geriatrischer Versorgungsbedarf in einer alternden Gesellschaft. Das sind Behandlungen, die möglichst familien- und wohnortnah in erreichbaren Krankenhäusern auch in Zukunft erbracht werden müssen. „Wo Spezialisierungen sinnvoll sind, finden Entwicklungen dorthin längst statt. Es wäre zudem gut, wenn die vielen Initiativen der Krankenhäuser zur Bildung von Zentren nicht länger von den Krankenkassen blockiert würden“, so der DKG-Präsident.
Als eine Voraussetzung ihres Konzeptes fordern die Autoren, deutlich mehr bislang stationär erbrachte Leistungen in ambulante Leistungen zu überführen. Hier sieht auch die DKG Möglichkeiten. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Krankenhäuser mit ihren medizinischen Kompetenzen und ihrer Infrastruktur für die Erbringung ambulanter Leistungen vom Gesetzgeber zugelassen werden. Die niedergelassenen Praxen können diese Leistungen nicht auffangen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die Versorgungsengpässe im ambulanten Bereich seit Jahren nicht lösen können. Hier gilt es jetzt, neue Wege zu gehen.
Insofern greift eine monokausale Erklärung „weniger Krankenhäuser – bessere Qualität“ viel zu kurz. Andere Länder haben nicht nur ihre Krankenhausstruktur verändert, wie es die Studie als einzige Lösung vorschlägt. Vielmehr haben sie die Strukturreformen mit wirkungsvollen Präventionsprogrammen, grundlegendem Ausbau der ambulanten Versorgung insbesondere auch durch die Kliniken und der Infrastruktur flankiert. Zudem verfügen sie über gänzlich andere Krankenversicherungs- bzw. Finanzierungssysteme. All das wird komplett verschwiegen und macht die Auswertung damit nicht brauchbar.
„Was wir benötigen, ist eine aktive Krankenhausplanung, die regionale Besonderheiten ins Auge fasst, Parallelstrukturen abbaut, aber gleichzeitig auch gegen Unterversorgung vorgeht. Was wir benötigen, ist ein vernünftiger Mix aus wohnortnaher Grundversorgung, bei der sich die Patienten auch im Notfall auf zeitnahe Behandlung verlassen können, und hochspezialisierten Leistungen, die in Zentren erfolgen sollen. Die Studie selbst verweist auf die Möglichkeiten, die die Telemedizin bietet, um Grundversorgungsstandorte mit den Kompetenzen der Zentren auszustatten. Dieser Debatte stellen sich die Krankenhäuser gerne, und sie sind auch jederzeit bereit, sich in eine sektorenübergreifende Versorgungsstruktur einzubringen. Wichtigste Zielsetzung von Planungen und Veränderungsprozessen muss aber der Nutzen für den Patienten sein“, machte der DKG-Präsident deutlich.
Gaß: „Nicht zuletzt bedeutet aber jede Form von Standortentwicklung gewaltige Investitionsanstrengungen, die weit über die bisherigen Fördermittel der Länder und des Bundes hinausgehen. Auch dazu schweigt sich die Studie aus.“