„Die deutschen Krankenhäuser stehen vor großen Umbrüchen und Herausforderungen, die mit vielen finanziellen Unwägbarkeiten und nicht dagewesenen Planungsunsicherheiten verbunden sind“, erklärte Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) anlässlich einer Pressekonferenz zur Ausgliederung der Pflegekosten aus den Fallpauschalen, der Reform des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, des Digitale-Versorgung-Gesetzes sowie den Plänen zur Reform der Notfallversorgung.
Die Ausgliederung der Pflegekosten aus den Fallpauschalen führt zu großen Verwerfungen bei vielen Krankenhäusern. Ca. 15 Milliarden Euro werden aus der Fallpauschalen-Vergütung herausgenommen und über einen gesondert zu verhandelndes Pflegebudget vergütet. Besonders problematisch ist dabei, dass durch die Rechenmethodik Mittel in Höhe von 200 Millionen Euro aus der sogenannten Sachkostenkorrektur den Krankenhäusern entzogen werden. „Würde die DKG, wie ursprünglich geplant, an diesem Freitag mit dem GKV-Spitzenverband den DRG-Katalog für 2020 verabschieden, wären die 200 Millionen Euro weg. Pflegestärkung würde mit einer massiven Schwächung der Krankenhäuser an den Start gehen. Die Mittel werden zur Entlastung der Pflege und zur Steigerung der Attraktivität der Pflege gebraucht. Wir brauchen ein Signal aus der Politik, dass die 200 Millionen Euro in den Häusern verbleiben, um den Katalog beschließen zu können“, so Baum.
Insgesamt muss damit gerechnet werden, dass ca. 20 bis 30 Prozent der Kliniken in 2020 durch die Umstellung Erlöseinbußen haben werden. Bei einzelnen Fallpauschalen führt die Ausgliederung zu gravierenden Erlöseffekten. Insbesondere Krankenhäuser, die auf die Fachpersonalknappheit durch den Einsatz von Unterstützungspersonal und entlastenden Investitionen reagiert haben, laufen Gefahr, über das Pflegebudget diese Kosten nicht erstattet zu bekommen. Die im Gesetz vorgesehene Berücksichtigung pflegeentlastender Maßnahmen von drei Prozent reicht nicht aus. Die Quote muss auf mindestens fünf Prozent erhöht werden. Insgesamt kann der Krankenhausbereich bei der Bilanzierung der zu Beginn der Legislaturperiode verabschiedeten Pflegestärkung bislang keine positive Bilanz ziehen. Die Ausweitung des Pflegestellenförderungsprogramms hat auch im Krankenhausbereich nur zu wenigen zusätzlichen Stellen geführt. Die Pflegeuntergrenzen werden als massive Bürokratieausweitung und nicht gerechtfertigte Gängelei in den Kliniken wahrgenommen. Die Attraktivität der Arbeit für die Pflegenden wird dadurch nicht verbessert. Zudem warten die Krankenhäuser noch immer auf die versprochene volle Refinanzierung der Tarifkostensteigerungen für das Pflegepersonal aus dem Jahr 2018. Dabei geht es um 600 Millionen Euro kumulierte Mehrkosten.
Die Reform des Medizinischen Dienstes enthält durchaus Verbesserungen für die Krankenhäuser. Positiv ist, dass ein generelles Aufrechnungsverbot eingeführt wird. Auch die Begrenzung der Prüfquote auf 10 Prozent ist zu begrüßen. Die immer wiederkehrenden fragwürdigen Prüfungen (60 Prozent), die sich ausschließlich um untere oder obere Grenzverweildauer ranken, machen deutlich, dass es den Kassen nicht wirklich um falsche Abrechnung, sondern vorrangig um Geldgenerierung geht. Bedauerlich ist allerdings, dass genau diese Prüfungen der oberen und unteren Grenzverweildauer nicht wirklich eingeschränkt werden. „Absolut nicht hinnehmbar bleibt, dass bei beanstandeten Abrechnungen Strafzahlungen erfolgen sollen. Eine unterschiedliche medizinische Interpretation zum Behandlungsbedarf kann nicht dazu führen, dass Krankenhäuser Strafzahlungen leisten müssen. Strafgelder gehören zu Straftaten und dafür ist in Deutschland die Staatsanwaltschaft und nicht der MDK zuständig – das muss auch für den Krankenhausbereich gelten. Dass der Gesetzgeber hier Strafgelder vorsieht, werten unsere Krankenhäuser als eine Diskreditierung ihrer Arbeit“, erklärt der Hauptgeschäftsführer.
Auf halbem Wege stecken bleibt ein Hauptpunkt der Reform, nämlich die Überführung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in einen unabhängigen Dienst. Zwar wird der Dienst auf Landes- und Bundesebene eine eigenständige Körperschaft, Personalbesetzung und Steuerung erfolgen aber weiter über Gremien, die von der GKV dominiert werden. „Wenn von 23 Sitzen in den Verwaltungsräten 16 von der GKV bestellt werden und die Leistungserbringer dort überhaupt nicht berücksichtigt werden, kann von einem unabhängigen Dienst nicht die Rede sein“, sagte Hauptgeschäftsführer Baum. Auch die Ermittlung und Festlegung der Prüfquote für jedes Krankenhaus in Deutschland ohne Einbindung der Krankenhausseite allein durch den GKV-Spitzenverband kann nicht akzeptiert werden.
Bei der Reform der ambulanten Notfallversorgung steht für die Krankenhäuser die Überwindung der absolut unzureichenden Vergütung als Reformziel im Mittelpunkt. Deshalb muss an erster Stelle die Entwicklung ein auf die Kosten der Krankenhäuser zugeschnittenes Vergütungssystem und die Direktabrechnung mit den Kassen stehen. Die Krankenhäuser sind grundsätzlich bereit, die Bereitschaftsdienste der niedergelassenen Ärzte örtlich in die Krankenhäuser zu integrieren.
„Wir sehen aber keinen Vorteil in der Konzentration der ambulanten Notfallversorgung auf Integrierte Notfallzentren an ca. 700 Krankenhausstandorten. Die 1.200 Krankenhäuser, die qualifizierte Ambulanzen haben, werden auch weiter von den Patienten aufgesucht und es gibt auch überhaupt keinen Grund, diese Versorgungsmöglichkeiten zu beschneiden“, so Baum.
Völlig inakzeptabel und weltfremd ist der Ansatz, dass die Integrierten Notfallzentren als eigene Betreibergesellschaft gemeinsam von Krankenhäusern und den Kassenärztlichen Vereinigungen zu organisieren sind. Das wäre ein Betrieb im Krankenhausbetrieb mit neuen Schnittstellen und Abgrenzungsbedarf. „Es steht für die Krankenhäuser außer Frage, dass die Bereitschaft der niedergelassenen Ärzte zur Mitwirkung an der ambulanten Notfallbehandlung auch in Zukunft gebraucht wird. Das kann aber das Krankenhaus mit den niedergelassenen Ärzten eigenverantwortlich organisieren. Dazu braucht es keine Betreibergesellschaft mit den KVen“, betonte Baum.
Das Digitale-Versorgung-Gesetz gibt leider keine Antworten auf die zentralen Probleme der Krankenhäuser bei der Nutzung der Digitalisierung im Medizinbetrieb.
„Wir sehen nicht, dass elektronische Patientenakten oder auch Gesundheits-Apps maßgebliche Verbesserungen im Kernbereich der stationären medizinischen Versorgung bewirken. Sie sind Hilfsmittel, fördern die Compliance und schaffen mehr Augenhöhe im Verhältnis Arzt/Patient. Für die medizinische Versorgung von zentraler Bedeutung sind dagegen die IT-Primärsysteme, die wir in den Krankenhäusern und in den Praxen haben“, so der DKG-Hauptgeschäftsführer. Je mehr patientenbezogene Außenanwendungen, umso dringender ist die Ausstattung unserer Einrichtungen und vor allem deren Sicherheit. Die DKG hat ein Konzept für Cyber-Sicherheit mit Experten erarbeitet, das pro Krankenhaus personelle und sächliche und vor allem auch Software-Ausstattungszusatzkosten von mindestens einer Million Euro pro Haus verursacht. Bei knapp 2.000 Krankenhäusern sind das ca. zwei Milliarden Euro, die wir allein für Betriebskostenerstattungen bräuchten, um auf diesen Stand zu kommen. Über die Kalkulation im DRG-System und über die Verhandlungen bei den Landesbasisfallwerten werden solche Kosten nicht oder kaum berücksichtigt. „Wir haben die groteske Situation, dass wir für 2020 eine historisch hohe Grundlohnrate von 3,66 Prozent als Obergrenze für unsere Vergütungsverhandlungen mit den Kassen zur Verfügung haben. Wir werden sie aber unter den Verhandlungsbedingungen, die gesetzlich zugelassen sind, nicht ausschöpfen können. Deshalb unser Vorschlag: Was bei den Landesbasisfallwerten als Differenz zu den 3,66 Prozent übrig bleibt, sollte den Krankenhäusern als individuelles Kostenerstattungsvolumen, reserviert für IT-Ausbau und –Sicherheit, zur Verfügung gestellt werden. Schließlich haben die Krankenkassen auf der Grundlage der Lohnzuwächse Einnahmen bezogen. Sie für die Versorgung einzusetzen, ist mehr als recht und billig“, so Baum.